Universitätsbibliothek Graz, Ms. 1609 (fol. 13v)
Papier, 469 Bl., 140 x 110mm, zwischen 1451-1488, Entstehungsort unbestimmt (eventuell Mondsee oder Tegernsee)
Handschrift
Die Sammelhandschrift, auch bekannt als Mondseer Koch- und Haushaltsbuch, bietet mehrere nützliche Texte für die Führung eines großen Klosterhaushalts. Neben Anleitungen zum Färben und Reinigen von Stoffen sowie der Beschreibung von Heilpflanzen und der Herstellung von medizinischen Rezepten findet sich darin auch eine Sammlung von ca. 300 Kochrezepten. Das Blatt 13v überliefert unter anderem – für besondere Feinschmecker – ein simples Rezept für Honig-Wein-Pfannkuchen.
Text
(fol. 13v) [I]Tem wil dw von airen machen ein taig mit etlichen airen an so dw aller hertist magst vnd gibb den vnd mach dar auß pletter als phanczelten das pach ym smalcz vnd nymb dar nach ein guetten wein vnd habl als vill honigs vnd er well das vnder einander vnd czewch das pachen dar durch so dw es an wildt richten etc.
Übersetzung
„Wenn du aus Eiern einen Teig machen willst mit so vielen Eiern, wie du am meisten entbehren kannst, und den mit Safran (?) versiehst, dann bereite daraus Fladen wie Pfannkuchen [mhd. pfannen zelte]. Die backe in Schmalz und nimm danach einen guten Wein und halb so viel Honig, koche es miteinander auf und ziehe das Gebackene hindurch, bevor du es anrichten möchtest.“
Kommentar:
Aus dem Mittelalter findet sich eine beeindruckende Vielfalt an Rezepten, die in verschiedenen Manuskripten überliefert wurden. Diese Rezepte spiegeln die kulinarischen Traditionen und Essgewohnheiten der damaligen Zeit wider und zeigen besonders, wie stark die französische und deutsche Küche miteinander verflochten waren. Die französische Kultur hatte einen erheblichen Einfluss auf die deutsche Küche, wobei Kochrezepte oft mündlich überliefert und erst später schriftlich festgehalten wurden. Rezepte wurden ständig angepasst und verändert, je nach den Fähigkeiten des Kochs, den vorhandenen Zutaten und den Vorlieben der Essenden, was sich in weiterer Folge zu regionalen Koch-Traditionen und sogar Spezialitäten ausweitete. Zusätzlich gab es eine enge Verbindung zwischen Kochrezepten und medizinischen Texten, was ebenfalls auf die Mondseer Handschrift zutrifft – Ernährung und Gesundheit wurden zusammen gedacht und standen oft in Beziehung miteinander.
Aber historische Kochbücher sind nicht nur wegen ihrer Rezepte interessant. An ihnen lassen sich indirekt soziale, wirtschaftliche, religiöse, habituelle oder auch rituelle Aspekte beobachten, die uns in ihrer Gesamtheit Hinweise auf die kulturelle Identität einer Gesellschaft geben. Mit ihrer Hilfe lassen sich „epochen- und grenzübergreifende Einflüsse nachvollziehen, ja man könnte sie nachgerade als ‚Leittexte‘ für die Wege der Wissensvermittlung und der Wissenstransformation von der Antike bis in die Frühe Neuzeit bezeichnen“ (Hofmeister-Winter, S. 5).
Die Besonderheit des vorliegenden Pfannkuchen-Rezepts ist wohl, dass die Angaben zur Rezeptur und zu den Ingredienzien des Teiges auffallend vage bleiben. Die Zubereitung von Pfannkuchen war offenbar so geläufig, dass es hier keinen Bedarf an genaueren Zubereitungshinweisen bedurfte. Wichtiger war offenbar der Wein-Honig-Sud, der den „normalen“ Pfannkuchen erst zu etwas Besonderem gemacht haben dürfte. Wer also heutzutage den „beschwipsten Pfannkuchen“ zubereiten möchte, darf für die Pfannkuchen auf eigene Rezepturen zurückgreifen. Viel Erfolg und guten Appetit!
Literatur in Auswahl
- Kern, Anton: Die Handschriften der Universitätsbibliothek Graz, Bd. 2 (Handschriftenverzeichnisse österreichischer Bibliotheken, Steiermark 2), Wien 1956, S. 374-376.
- Hofmeister-Winter, Andrea (Hrsg.): Gerichte mit Geschichte: transkulturelle Quellenstudien zur historischen Kulinarik und Diätik: Beiträge der interdisziplinären Fachtagung Graz, 19.-21- September 2019. (=Grazer mediävistische Schriften. Band 3.)
- Cooking Recipes of the Middle Ages
- Digitalisat der Handschrift: https://unipub.uni-graz.at/urn:nbn:at:at-ubg:2-27022
Marc Kroisenbrunner, Projektarbeit im Rahmen des Seminars „EX Historische Medien (Mittelalterliche Handschriften)“, Institut für Germanistik (Germanistische Mediävistik, Univ.-Prof. Dr. Julia Zimmermann)