Pergament, 656 Bl., 457 x 332mm, Salzburg, 1469
Handschrift:
Bei dem Pergamentmanuskript 48 der Grazer Universitätsbibliothek handelt es sich um eine großformatige Prachthandschrift mit einem Gewicht von ca. 25kg. Die Handschrift enthält die Abschrift eines Mentelin-Bibeldrucks (Altes und Neues Testament) in sorgfältiger Ausführung und reicher Ausstattung: Von ursprünglich 80 finden sich 79 blattgoldverzierte historisierte Initialen mit biblischen Motiven in reichen Deckfarben, die – wie auf Bl. 482r in einem ‚Selbstbildnis‘ mit Namensvermerk notiert ist – vom Salzburger Buchmaler Ulrich Schreier gestaltet wurden. Kleinere Initialen und der Randleistenschmuck sind vielfach mit Akanthusranken, floralen Ornamenten und Drolerien verziert. Eine Datierung auf das Jahr 1469 findet sich ebenfalls in einer Initiale (Bl. 324r). Neben weiteren Schreibern dürfte vor allem Erasmus Stratter als Hauptschreiber die Abschrift angefertigt haben. Stratter vollendete seine Arbeit in Salzburg, wie eine Notiz auf dem letzten beschriebenen Bl. 655r belegt: Also hat die Bibel ain enndt Vnd hat geschribn Erasm stratter zu Saltzpurg am freitag vor Sannd Rueprechts tag im herbst Anno dmi M.cccclxix o.
Kommentar
Neben ihrer überaus reichen Ausstattung dürfte die Besonderheit der „Stratter-Bibel“ vor allem darin liegen, dass es sich bei dem Buch um eine handschriftliche Abschrift eines bereits als Druck vorhandenen Textes handelt: Johannes Guttenberg hatte schon seit den 50ger Jahren des 15. Jahrhunderts die lateinische Bibel gedruckt, 1466 folgte dann der Druck der deutschsprachigen Vollbibel aus der Druckwerkstatt des Johannes Mentelin in Straßburg – also bereits Jahrzehnte vor der ersten gedruckten Luther-Übersetzung aus dem Jahr 1522. Es ist dieser gleichsam gerade erst erschienene Mentelin-Druck, den Stratter als Vorlage für seine Abschrift nutzt. Die Abschrift dürfte knapp zweieinhalb Jahre beansprucht haben. Warum erfolgte aber eine (sicherlich mühsame) Niederschrift eines deutschsprachigen Bibeltextes, den man zu Stratters Zeit durchaus bereits als Druck haben konnte?
Während Mentelin eine literarisch kaum beachtenswerte Wort-für-Wort-Übersetzung der lateinischen Vulgata geliefert hatte, haben Stratter und seine Mitschreiber durchaus in ihre Vorlage eingegriffen, indem sie verständlichere Wortersetzungen, dialektale Anpassungen und weitere Änderungen vorgenommen haben, wodurch der „Stratter-Bibel“ ein eigener Stellenwert zugesprochen werden kann. Der eigentliche Grund für diese ‚altmodische‘ Art der Buchproduktion dürfte aber sicherlich in der Funktion der Ms. 48 gelegen haben: Es ist davon auszugehen, dass Bernhard Rohr, der Erzbischof von Salzburg (1466-1478), die Handschrift als kostbares Hochzeitsgeschenk für seine Schwester Katharina anlässlich ihrer Vermählung mit Andreas von Kreig in Auftrag gegeben haben dürfte. Innerhalb privilegierter Gesellschaftsschichten war der Besitz solcher exklusiven, goldverzierten und vor allem teuren Handschriften oder Druckabschriften im 15. Jahrhundert durchaus noch üblich. Dabei ging es wohl weniger um die andächtige Lektüre eines 25kg-Wälzers mit 1312 Pergamentseiten, denn vielmehr um den repräsentativen Wert eines luxuriösen Vorzeigeobjekts.
Mit Katharina und Andreas von Kreig dürfte die „Stratter-Bibel“ nach Graz gekommen sein, wo sie vermutlich bereits 1583 von Erzherzog Karl II. und seiner Frau Maria dem Buchbestand des Jesuitenkolleg überlassen wurde. Diese Bibliothek wurde dann kaum zwei Jahre später zur Universitätsbibliothek. Die Grazer Ms.48 gehört damit zum ältesten Bestand der UB Graz, die sie in den Sondersammlungen aufbewahrt, hütet, aber immer wieder auch sehr gerne herzeigt.
Literatur
- Erich Renhart: Kleinode der Buchkultur. Eine Begegnung mit Büchern. Aus den Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Graz. Graz 2022, S. 55-62.
- Ferdinand Eichler: Die Deutsche Bibel des Erasmus Stratter in der Universitäts-Bibliothek zu Graz. Eine Untersuchung zur Geschichte des Buchwesens im XV. Jahrhundert. Mit neuen Tafeln. Leipzig: Otto Harrassowitz 1908.
- Digitalisat der Handschrift: nicht vorhanden.
Dorothea Hollwöger und Silvia Neumaier, überarb. von J.Z., Projektarbeit im Rahmen des Seminars „VU Historische Medien (Mittelalterliche Handschriften)“, Institut für Germanistik, Germanistische Mediävistik, Univ.-Prof. Dr. Julia Zimmermann