Universitätsbibliothek Graz, Ms. 216 (fol. 64rv)
Papier, 77 Bl., 260 x 200 mm, um 1400, Chorherrenstift Seckau
Die Handschrift
Die Sammelhandschrift enthält lateinische Texte insbesondere aus dem naturkundlichen Bereich (u.a. Thomas de Cantimprato: Liber de naturis rerum). Die Blätter 60r-69v enthalten medizinische Rezepte in deutscher und lateinischer Sprache. Hier finden sich unter zahlreichen Rezepten gegen Augenkrankheiten und Frauenleiden auch Anleitungen zur Herstellung von Farben.
Text
(fol. 64rb) Nym gummi vnd indich vnd saffran vnd ein wenig wazzer vnd la daz syeden vnd nim allain vnd reib daz dar under so wirt güt varib. – Item zü der zendal varib nim ij lat prisilij vnd ain lat alun vnd anderhalb troppffen wazzer vnd lazz daz sieden so wirt die varib rot vnd güt. – Item nim hintper vnd alawn vnd lass daz wol sieden so wirt sy viol varib. Aber zu der röten seyden varib nym iiij lat prisilij vnd ij lat alun vnd sewd es mit wazzer vnd mit wachswind daz es niur erwall. So ist sein genug. – Item zu den gelben seyden varib nim gelb plumen die sewd mit alawn vnd mit wachsswint vnd lazz sy trukken so wirt sy güt. – Item zu der plaben varib nim haitper vnd alun vnd sewd daz in wachswind vnd mit eim wenigen wein so daz erwalt so wirt die varib güt. – Item zu der grün varib des zendal (fol. 64va) nim grünspat vnd sewd es mit wazzer vnd wann es halb ingesewt so ist die varib güt.
Übersetzung:
„Nimm Gummi Arabicum und Indigo und Safran und etwas Wasser und lass das sieden und nimm Alaun und reibe das zusammen; so wird die Farbe gut. – Auf gleiche Weise nimm zu der Seidenfarbe 2 Lot Rotholz und 2 Lot Alaun und anderthalb Tropfen Wasser und lass das sieden; so wird die Farbe rot und gut. – Ebenso nimm Himbeeren und Alaun und lass das gut sieden, so wird sie violett. Aber zu der roten Seidenfarbe, nimm 4 Lot Rotholz und 2 Lot Alaun und siede es mit Wasser und Bienenwachs, so dass es erneut aufkocht. So ist es gut. – Ebenfalls zu der gelben Seidenfarbe nimm gelbe Blumen und siede sie mit Alaun und Bienenwachs und lass sie trocknen, so wird sie gut. – Auch zu der blauen Farbe nimm Heidelbeeren und Alaun und siede die in Bienenwachs und lass das mit ein wenig Wein köcheln; so wird die Farbe gut. – Ebenso zu der grünen Farbe des Seidenstoffes nimm Grünspan (Kupferrost bzw. Kupferacetat) und siede es mit Wasser und wenn es halb eingekocht ist, so ist die Farbe gut.“
Kommentar
Gemeinhin ist die Zeit zwischen 500 und 1500 n. Chr. als das „finstere“ Mittelalter verkannt. Dies lässt nicht unbedingt vermuten, dass in diesem Zeitraum großer Mut zur Farbe bestand. Dem angeblich so dunklen Mittelalter ist durchaus ein ausgeprägtes Farbbewusstsein zuzusprechen. Farbige Stoffe waren ein Statussymbol; die Herstellung von Farben ist vielfältig und jeder Farbe werden unterschiedliche Bedeutungen zugeschrieben.
Der vorliegende Textausschnitt liefert Anleitungen zur Herstellung von fünf verschiedenen (Textil-)Farben (rot, violett, gelb, blau und grün). Die Mengenangaben der Zutaten sind in Lot (lat) bemessen, eine Maßeinheit, die je nach Region zwischen 14 und 18 Gramm beträgt. Im ersten Rezept wird gummi (Gummi Arabicum) erwähnt, das im Mittelalter als Bindemittel zum Färben benutzt wurde. Gummi kam auch in den Farbmischungen der mittelalterlichen Buchmalerei zur Anwendung und es wird bis heute Aquarellfarben oder Gouache beigemischt. Mit der Zutat Indigo (indich) ist ein Pigment gemeint, das wahrscheinlich aus der Färberwaid-Pflanze gewonnen wurde, wobei die Blätter der Blüten verarbeitet wurden. Obwohl Färberwaid am häufigsten zur Herstellung von Blautönen verwendet wurde, sind daneben auch Pflanzen wie Indigostrauch, Blaue Färberhülse oder Färberknöterich bereits bekannt.
Rotholz bzw. Brasilholz (mhd. prisilje) sind Hölzer verschiedener Baumarten, aus denen im Mittelalter roter Farbstoff hergestellt wurde. Der Farbstoff Brasilin kommt vor allem im Kernholz von Brasilhölzern vor und ist zunächst farblos; erst durch Oxidation wird er rot. Weil die aus Brasilholz gewonnenen Farbstoffe Beizenfarbstoffe sind, müssen Wolle und Seide zunächst vorgebeizt werden, damit die rote Farbe auch dauerhaft im Stoff hält und sich nicht wieder auswäscht.
Das am häufigsten verwendete Beizmittel für Stoffe ist Alaun (mhd. alûn). Es fungiert als Farbfestiger und wirkt aufhellend. In der mittelalterlichen Farbherstellung wurde die Alaunwurzel zerstoßen und zum Beispiel in Urin gebeizt. Wird diese Paste dann etwa mit Pottasche und Heidelbeersaft vermischt, erhält man einen blauen Farbstoff.
Kostbarer Safran (saffran) lässt sich auch in den Küchen der Neuzeit finden und es wurde bereits im Mittelalter nicht nur als Gewürz, sondern auch als Färbemittel von Back- und Zuckerwaren verwendet. Ebenso ist er in der Farbherstellung zu finden. Safran gibt einen gelblichen Farbton und kann mit und ohne Beize färben.
Beim Grünspan (grünspat) handelt es sich um das älteste grüne Pigment, das künstlich hergestellt wurde. Es besteht aus essigsauren Kupfersalzen und man unterscheidet anhand von Farbe und Zusammensetzung neutralen Grünspan (bläulich-grün) und basischen Grünspan (blau bis blaugrün).
Literatur
- Prinz, Eberhard: Färberpflanzen. Anleitung zum Färben, Verwendung in Kultur und Medizin. Stuttgart 2009.
- Ploss, Ernst Emil: Ein Buch von alten Farben. Technologie der Textilfarben im Mittelalter. 6. erweiterte Auflage. München 1989.
- Schweppe, Helmut: Handbuch der Naturfarbstoffe. Vorkommen, Verwendung, Nachweis. Landsberg/Lech 1992.
Digitalisat der Handschrift: https://resolver.obvsg.at/urn:nbn:at:at-ubg:2-29053
Lisa Fuchs und Petra Reifinger,
Projektarbeit im Rahmen der Lehrveranstaltung „EX Historische Medien (Mittelalterliche Handschriften)“, Institut für Germanistik, Germanistische Mediävistik, Univ.-Prof. Dr. Julia Zimmermann