Im Zuge der Bearbeitung des Nachlasses des Kunstkritikers und Kulturphilosophen Alfred Fritsch (1884‑1963) wurden neben vielfältiger Korrespondenz auch zwei Faszikel mit Herbarmaterial inventarisiert.
Die Sammlung umfasst ca. 350 Arten, die auf dünnem, nicht holzfreiem Papier im Format 250 × 400 mm nach der üblichen Methode mit gummierten weißen Klebestreifen montiert sind. Die Belege stammen größtenteils aus der näheren Umgebung von Stockerau, einige aus dem angrenzenden Weinviertel, einige wenige aus der Steiermark. – Wenn es die Größe der Pflanzen erlaubt, wurden, um Platz zu sparen auch mehrere verschiedene Arten auf einen Bogen gespannt. Jede der Arten ist mit einem Etikett versehen, auf dem neben dem Namen der Pflanze auch der Fundort, das Funddatum und der Sammler vermerkt sind (Fig. 1). Es sind jeweils 10 Bogen in einem Umschlag zusammengefasst und nach dem damaligen System geordnet, beginnend mit den Gefäßkryptogamen. Die Umschläge sind mit Alfred I bis XV beschriftet. Ein alphabetisches Register sowohl der wissenschaftlichen Gattungsnamen als auch der deutschen Pflanzennamen macht die Sammlung leichter nutzbar. Das Material wurde von Johann Haring überwiegend im Jahr 1895 selbst gesammelt, einzelne Belege stammen aus den Jahren 1890‑94. Wie die Sammlung in den Nachlass von A. Fritsch gelangte, konnte noch nicht geklärt werden.
Sowohl der Sammelzeitraum als auch die Beschriftung der Umschläge legen die Vermutung nahe, dass Haring die Sammlung auf Wunsch von Alfred Fritsch angelegt hat. Unter den Arten finden sich auch heute streng geschützte und stark gefährdete Arten wie Notholaena marantae (Europa-Pelzfarn), Cypripedium calceolus (Gelb-Frauenschuh), Iris sibirica (Sibirien-Schwertlilie), Cyperus flavescens (Gelb-Zypergras). Von der Auswahl der Arten betrachtet ist der Zweck der Sammlung aber nicht nachvollziehbar.
Johann Haring wurde am 17. November 1845in Haslach an der Stiefing (nördlich von Leibnitz, heute Gemeinde Ragnitz) geboren, absolvierte nach der Pflichtschule die Lehrerbildungsanstalt in Graz und war seit 1862 im Schuldienst. Ab 1881 unterrichtete er bis zu seiner Pensionierung in Stockerau. Im 19. Jahrhundert war es nicht ungewöhnlich, dass Lehrer mit ihrer fundierten Ausbildung in naturkundlichen Fächern sich in eine der Teildisziplinen vertieften und für die Biodiversitätsforschung interessante Funde lieferten.
Ob in institutionellen Herbarien von Haring gesammeltes Material aufbewahrt wird ist nicht bekannt. Nach seiner Pensionierung hat Haring ein mehr als 700 Seiten umfassendes Werk über die Flora [der Umgebung] von Stockerau [1] verfasst, das neben der Aufzählung der im behandelten Gebiet vorkommenden Gefäßpflanzen auch Angaben über die Variationsbreite und die Standorte, an denen die Arten vorkommen, enthält.
Das Belegmaterial ist wegen der großen Veränderungen im besammelten Raum (z. B.: durch die Donauregulierung, den Kraftwerksbau, die Intensivierung der Landwirtschaft und die Ausdehnung des Siedlungsraumes) von einigem historischen Wert und wurde nach konservatorischen Arbeiten dem Herbarium GZU einverleibt.
Mag. Dr. Anton Drescher
[1] Haring, Johann. Flora von Stockerau. Photomechanisch vervielfältigte Handschrift in Kurrentschrift, Stockerau 1908. ‑ Bibliothek des Institutes für Pflanzenwissenschaften der Universität Graz.
Fig. 1: Bogen aus dem Herbarium Haring. Auf dem Blatt sind vier verschiedene Farnarten montiert (von links oben im Uhrzeigersinn): Ophioglossum vulgatum (Auen bei Stockerau; Juni 1895), Allosurus [Allosorus] crispus [heute akzeptierter Name: Cryptogramma crispa] (Lungau, Preber; Juli 1895), Polypodium vulgare (Steiermark, Murau; Juli 1895) und Gymnogramma marante [heute akzeptierter Name: Notholaena marantae] (Gulsenberg bei Kraubath; Juli 1895).